Ideencamp des BioMedTech-Vereins zeigt Konzepte für die Medizintechnik
Am 28. Juni 2023 präsentierten die 4 Teilnehmergruppen des ersten Ideencamps beim "Einschnitte-Einblicke"-Workshop in Tübingen ihre Konzepte, mit denen sie bisher ungelöste klinische Probleme angehen wollen.
Auf Initiative des BioMedTech-Vereins wurde im April 2023 erstmals ein „Ideencamp“ zum Thema Digitalisierung, Fusion und künstliche Intelligenz (KI) in der Medizintechnik ausgeschrieben. Damit wurden gezielt Studierende, junge Wissenschaftler*innen aus dem akademischen Umfeld und Nachwuchsentwickler*innen aus MedTech-Unternehmen angesprochen. Der BioMedTech-Verein unterstreicht mit der Ausschreibung einmal mehr seine Rolle als „Think Tank“. Die Teilnehmenden sollten in kleinen Teams interdisziplinär neue Ideen und Konzepte bis hin zu Prototypen, Minimum Viable Products bzw. einer umfassenden Lösungsbeschreibung (Product Box) erarbeiten, die bisher ungelöste klinische Probleme bei frei wählbaren medizinischen Indikationen adressieren und die durch Digitalisierung/KI gelöst werden könnten.
Es fanden sich vier Gruppen zusammen, die in nur zwei Monaten seit dem Kickoff-Meeting am 18. April 2023 spannende Problemlösungen erarbeiteten. In kurzen Pitches stellten sie ihre Vorhaben im Rahmen des aktuellen „Einschnitte-Einblicke“-Workshops vor, der zum Thema Digitalisierung, Fusion und künstliche Intelligenz (KI) am 28. Juni 2023 am Institut für Klinische Anatomie der Universität Tübingen stattfand. Der BioMedTech-Verein ist gemeinsam mit der BioRegio STERN Management GmbH und dem IZST - Interuniversitäres Zentrum für Medizinische Technologien Stuttgart – Tübingen Veranstalter dieser äußerst erfolgreichen Workshop-Reihe, die 2016 ins Leben gerufen wurde. Die erstmalige Kombination mit den Präsentationen des Ideencamps zum gleichen Thema kam hervorragend an und führte zu einem deutlich höheren Anteil jüngerer Teilnehmenden. Die Gäste wechselten nach der ersten Diskussionsrunde, an die sich die Pitches des Ideencamps anschlossen, in den OP der Anatomie. Hier konnten sie einerseits wie gewohnt bei Präsentationen an anatomischen Präparaten mit Ärzten die Medical Needs erörtern und andererseits mit den vier Teilnehmergruppen des Ideencamps diskutieren, die ihre Ansätze an jeweils eignen Stationen präsentierten.
Dieses gemischte Format kam nicht nur bei den Teilnehmenden gut an, sondern auch bei den Veranstaltern. Dr. Steffen Hüttner, Vorstandsvorsitzender des BioMedTech-Vereins, zeigte sich begeistert über die Ergebnisse des Ideencamps: „Der Auftrag war, neue Konzepte oder sogar Prototypen zu einem jeweils selbst gewählten Thema zu entwickeln und ich finde, alle vier Gruppen haben das ganz hervorragend gelöst. Mich persönlich hat erstaunt, dass alle Gruppen ohne Absprachen untereinander in dem recht kurzen Zeitraum einen jeweils ähnlichen, hohen Reifegrad erreicht haben“.
Die Workshops-Teilnehmenden wurden gebeten, ihre Einschätzungen zu den vier Konzepten in einem Fragebogen zu bewerten. Die Auswertung fließt in die Auswahl der besten Lösungsvorschläge ein, die einer separaten Veranstaltung am 12. Juli 2023 prämiert werden. Die Preise hierfür stellt die Tübinger Erbe Elektromedizin GmbH zur Verfügung, in deren Räumen die Auszeichnung stattfinden wird.
Die vier Gruppen und Themen im Überblick:
- KI-unterstützte Simulation der Repositionsstrategie bei mehrfragmentären Frakturen
Ein Team aus Unfallchirurgen und Entwicklern der HB Technologies AG stellten ihre Idee vor, um mithilfe von KI die Behandlungsentscheidung bei handgelenknahen Speichenbrüchen zu unterstützen. Da KI grundsätzlich gut für Bildanalysen geeignet ist, soll sie in Verbindung mit weiteren Patientendaten genutzt werden, um den Typ und Schweregrad des Bruches möglichst objektiv zu beurteilen und auf dieser Basis die passende Behandlungsweise vorschlagen.
- Demonstrator zur Simulation von haptischem Feedback und zur Steuerung bei der Verwendung eines tele-robotischen Systems
Viszeralchirurgen und Entwickler der Aesculap AG wollen Operateuren bei laparoskopischen und robotischen OPs den Tastsinn zurückgeben. Gerade für junge, noch nicht so erfahrene Chirurgen ist es eine große Herausforderung, ohne haptisches Feedback zu operieren. Deshalb will das Team sie mit haptischen Handschuhen in der Ausbildung zu unterstützen. Das Prinzip sieht vor, physische Eindrücke, zum Beispiel der Krafteinwirkung auf ein Gewebe, mittels Sensoren in elektronische Signale umzuwandeln und diese per Bluetooth in den Handschuh zu übertragen, dessen Fingerkuppen dann je nach Signal unterschiedlich vibrieren und dem Träger somit spürbares Feedback geben.
- Fotogrammetrie zur 3D-Rekonstruktion in der endoskopischen Chirurgie
Das Team aus Neurochirurgen und Informatikern will aus einzelnen zweidimensionalen Bildern, wie sie Ultraschall, CT und MRT liefern, dreidimensionale Modelle rekonstruieren. Die Operateure sollen so zum Beispiel Distanzen besser einschätzen können und leichter erkennen, wie sich Gewebestrukturen zueinander verhalten. Am Beispiel der Nasenscheidewand stellte das Team vor, wie eine solche 3D-Rekonstruktion aussieht und wie sie den Chirurgen die Arbeit erleichtern kann.
- KI zur Bestimmung der Schnittführung/plastischen Deckung anhand von Bilddaten bei Vulvatumoren
Die Früherkennung von Vulvakarzinomen ist eine besondere Herausforderung, da die Diagnostik viel Erfahrung bedingt. Eine Abgrenzung etwa zu Entzündungen ist häufig nur mit Biopsien zuverlässig möglich, wobei diese jedoch die Patientinnen belasten, zumal sie häufig mehrfach nötig sind. Das Team aus jungen Klinikern der Tübinger Frauenklinik und Entwicklern der Erbe Elektromedizin GmbH will deshalb eine optische, kontakt- und möglichst auch markerfreie Diagnostik entwickeln, die im besten Fall sogar im ambulanten Bereich durchgeführt werden kann. Basis ist die hyperspektrale Bildgebung, mit deren Hilfe Gewebedifferenzierungen möglich sind, die das menschliche Auge nicht leisten kann.