Innovationstag zur „Apotheke des 21. Jahrhunderts"

Der BioMedTech-Verein unterstützte drei Veranstaltungen im Rahmen der Tübinger Innovationstage 2021. Das Thema am 13. Juli war die „Apotheke des 21. Jahrhunderts“. Dabei wurden unterschiedliche Biomoleküle als Wirkstoffe in einem Expertenkreis diskutiert.

Tübingen, 20. Juli 2021. In der Tübinger Schlossküche wurde vor über 150 Jahren die Nukleinsäure entdeckt, der Grundstoff der Erbsubstanzen DNA und RNA. Letztere ist der zentrale Wirkstoff der Impfstoffe, die zur Überwindung der Corona-Pandemie beitragen. Die RNA und weitere Biomoleküle kommen aber auch als Wirkstoffe für ganz neue Medikamentenklassen in der personalisierten Medizin in Frage. Zwei neue Zentren in Tübingen sollen nun dazu beitragen, die Medikamente für die „Apotheke des 21. Jahrhunderts“ herzustellen.

Es ist heute möglich, aufgrund von genetischen, molekularen oder zellulären Besonderheiten jedes Patienten Medikamente maßgeschneidert herzustellen. Bei individualisierten Krebsbehandlungen kommen Wirkstoffe zum Einsatz, die auf den jeweiligen Tumor des Patienten zugeschnitten sind. Die neuartigen Wirkstoffe basieren auf RNA, Biologicals oder Peptiden. Biologicals sind biotechnologisch hergestellte Proteine. Im Rahmen der Tübinger Innovationstage wurden die unterschiedlichen Biomoleküle als Wirkstoffe für die „Apotheke des 21. Jahrhunderts“ in einem Expertenkreis diskutiert.

„Der menschliche Körper ist selbst die Apotheke“, erläutert Dr. Franz-Werner Haas, CEO der CureVac AG, das Wirkprinzip der mRNA, der messenger-RNA. Das Tübinger Unternehmen leistete Pionierarbeit bei der Nutzung der RNA als Wirkstoff. „Die große Frage lautete dabei: Wo wird sich für die RNA als erstes ein Anwendungsfall ergeben?“. Es wurde der Impfstoff gegen Covid19. Neben der Wirkstoffentwicklung ist die zentrale Herausforderung die Technologieentwicklung im Bereich der Produktion. Die Verfahren müssen schnell vom Labormaßstab auf die Produktion von 100 Millionen Dosen überführt werden. Zudem verfolgt man bei CureVac mit dem RNA-Drucker das Ziel, bei der Produktion von RNA örtlich flexibel zu werden.

Neben der RNA hat Tübingen auch für die medizinische Nutzung der anderen Biomoleküle eine Spitzenstellung inne. „Die Region ist die Wiege der Immunologie“, unterstreicht Dr. Steffen Hüttner, Vorsitzender des Tübinger BioMedTech e.V.. Ergänzend zur Wissenschaft liegen die Stärken in der Region in der Automatisierung und Robotik sowie in der Überführung in die klinische Anwendung. Der Aufbau zweier Zentren wird mit Nachdruck verfolgt. Eines für die Biologicals und eines für Peptide.

Im „Zentrum zur Herstellung personalisierter Wirkstoffe“ soll eine Produktionsstätte zur Herstellung von Peptiden entstehen. Daran beteiligt sind die Tübinger Unternehmen CeGat GmbH und HB Technologies AG sowie das Interfakultäre Institut für Biochemie (IFIB) an der Universität Tübingen. Die dort hergestellten Medikamente sollen den Pharma- und Biotechunternehmen zur Verfügung stehen, die klinische Studien damit durchführen sowie den Kliniken, die diese Wirkstoffe bei ihren Patienten anwenden. Dr. Juliane Walz von der Abteilung für Immunologie der Universität Tübingen führt klinische Studien zur Peptid-Therapie mit Krebspatienten durch: „Die individuelle Betrachtung der Patienten ist erforderlich, da jeder Tumor einzigartig ist.“ Besonders wichtig ist für Sie dabei, dass die Universität Tübingen über ein GMP-Labor verfügt, also ein Labor bei dem die Good Manufacturing Practice (GMP) eingehalten wird. Dies ist erforderlich, um ein Medikament für die Behandlung am Patienten zuzulassen.

Im „Biological Development Center“ (BioDevCenter) vom Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Institut (NMI) in Reutlingen und dem Werner Siemens Imaging Center an der Universität Tübingen sollen dagegen die Biologicals hergestellt werden. Biologicals werden beispielweise benötigt für innovative Behandlungen in der personalisierten Diagnostik und Medizin, für experimentelle Impfstoffe oder zur Beschichtung von Oberflächen. „Das BioDevCenter ermöglicht kleinen und mittleren Unternehmen einen niederschwelligen Zugang zur Entwicklung, Produktion und Testung der Biologicals“, so Prof. Dr. Ulrich Rothbauer vom NMI, der den Aufbau des BioDevCenters leitet. Durch den Zugang werden mehr Innovationen entstehen, die Entwicklungszeiten verkürzt und der Know-how-Zuwachs beschleunigt.

Das BioDevCenter und das Zentrum zur Herstellung personalisierter Wirkstoffe sind Leuchtturm- bzw. Schlüsselprojekte des regionalen Entwicklungskonzepts der Region Neckar-Alb und sollen nun in den nächsten Jahren aufgebaut werden. Zentraler Aspekt der Diskussion im Expertenkreis im Rahmen des Tübinger Innovationstags „Apotheke des 21. Jahrhunderts“ waren wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen. Diese sind beispielsweise im Bereich der Einhaltung der GMP-Vorgaben im Vergleich zur USA nicht gegeben. Christian O. Erbe, Präsident der IHK Reutlingen und Geschäftsführer der Tübinger Erbe Elektromedizin GmbH bedauert die Wettbewerbsnachteile im internationalem Umfeld. „Es gibt viel zu tun, damit die Innovationsfreundlichkeit bei Biomolekülen und in der Medizintechnik gegeben ist“, so Erbe.

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Dr. Steffen Hüttner unter +49-7071-9761-30 oder steffen.huettner@h-net.com sowie
Dr. Verena Grimm unter +49-711 870 354 27 oder grimm@bioregio-stern.de.